Aktion gegen Fremdenhass und Rassismus (15. 04. 2016)
Schüler des Sophie-Hedwig-Gymnasiums haben dem von Nazis geschändeten jüdischen Friedhof Diez zwei zerstörte Grabsteine zurückgegeben
2014 hat das Diezer Sophie-Hedwig-Gymnasium die Patenschaft über den jüdischen Friedhof auf dem Guckenberg in Diez übernommen. Seitdem versuchen Schüler und Lehrer gemeinsam mit dem Bauhof der Stadt Diez den unvermeidlichen Verfall der Anlage zwar nicht zu verhindern, aber die vorhandene Anlage als Erinnerungsort solange wie möglich zu erhalten.
Nun haben Lehrer die Trümmer zweier Grabsteine entdeckt, die vermutlich von Nationalsozialisten mit brutaler Gewalt zerstört und den Abhang unterhalb des Friedhofes hinabgeworfen wurden. Überliefert sind Zerstörungen des jüdischen Friedhofs Diez in der Reichspogromnacht am 9. November 1938. Die beiden Trümmer gehören zu zwei unterschiedlichen Gräbern und lagen damit knapp 8 Jahrzehnte am Abhang des Guckenbergs.
Mit einer gemeinsamen Aktion von Sophie-Hedwig-Gymnasium und Mitarbeitern des Bauhofes wurden am 15. April die Reste der Grabsteine in der Nähe der Lahntalbahn geborgen und zurück hinauf auf den Friedhof gebracht. Herr Weil von der DB Netz AG Limburg hat den Transport der beiden Trümmersteine in Schubkarren entlang der Gleise überwacht und abgesichert.
Der Ethik Grundkurs der Jahrgangsstufe 12, die Lehrer Jens Reutzel und Matthias Lang sowie Herr Wagner und Herr Wöll vom Bauhof haben die Trümmer dann nach einer kurzen LKW-Fahrt auf der Friedhofsanlage abgelegt.
Anschließend erzählte Christa Pullmann von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (CJZ) in Limburg vor einem zerstörten Grab zunächst von den während des Nationalsozialismus verfolgten jüdischen Familien in Limburg und Diez. Bald kam es zu einer Diskussion mit den Schülern über die im Ethikunterricht behandelten Aggressionstheorien, wobei es durchaus kontroverse Meinungen gab. Welche Aggressionstheorie passt auf die brutale Zerstörung von jüdischen Familien, ja sogar von Grabsteinen? Der Mensch wird sicher nicht als Nationalsozialist geboren, er kann aber durch falsche Vorbilder dazu werden. Eine Disposition zur Aggression hat aber sicher jeder Mensch von Geburt an. Die Vorsitzende der CJZ las zum Abschluss der Aktion mit allen Helfern das jüdische Lobpreisgebet, das Kaddisch.
Mit der Bergungsaktion soll einerseits ein weiterer Anstoß für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit der Stadt Diez geleistet werden. Bereits im Mai 2015 hatten sich Schüler und Lehrer einen Rundweg zu jüdischen Erinnerungsorten in Diez erwandert und u. a. auf die 1938 zerstörte Synagoge oder das 1935 geräumte jüdische Kinderheim aufmerksam gemacht.
Andererseits will das Sophie-Hedwig-Gymnasium mit dieser Aktion auf die Gefahren von Fremdenhass und Rassismus angesichts der gegenwärtigen Flüchtlingskrise erinnern. Die zerstörten Grabsteine des jüdischen Friedhofes regen zum Nachdenken darüber an, wohin fehlgeleitete Aggressionen Deutschland 1945 geführt haben.
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